Über Eichen – was uns die Bäume erzählen

Immer wenn ich zu meinem Sitzplatz an der Bille fahre, halte ich kurz an einer alten Eiche inne. Sie steht prominent an dem alten Weg von Bergedorf nach Reinbek inmitten einer kleinen Ansammlung von Findlingen. Hier herrscht immer eine besondere Atmosphäre ich genieße für einen Moment die Ruhe und den Frieden, der von diesem Baum ausgeht. Hier fühle ich mich mit meiner Umgebung, mit ihrer Geschichte verbunden. Was dieser Baum wohl alles gesehen hat? Sein Alter wird auf 300 Jahre geschätzt.

Sie wird bis heute als „Liebeseiche“ oder auch als „Schöne Eiche“ bezeichnet. Vermutlich gehört sie zu den so genannten „Bräutigamseichen“, die ihre Existenz einem königlichen Befehl verdanken.

Wie die Eichen emotional aufgeladen wurden: Bräutigamseichen

Am 24. April 1737 fertigte der Herzog von Schleswig und Holstein, der dänische König Christian VI. (1699-1746) eine „Holtz- und Jagdverordnung“ aus. Mit dem Ziel, die arg dezimierten Waldbestände in den Herzogtümern zu ergänzen, legte die Verordnung unter anderen fest,

„daß in den Holtzdörfern jede Mannsperson, so sich zu verheyrathen gedenket, schuldig und verpflichtet seyn soll, … 10 junge Eichen und oder … 15 junge Buchen zu pflanzen“.

Einer der schönsten Eichen: Die schöne Eiche in Reinbek.
Die „Schöne Eiche“ in Reinbek

Mit dem Pflanzen war es nicht getan. Die neuen Bäume sollten auch von dem Jungvermählten über drei Jahre in ihrem Wachstum erhalten werden.

Auf diese Weise wurde der schwindende Wald aufgeforstet. In dem man die Bäume emotional auflud, sollte verhindert werden, dass ein frierender Nachbar diese vorzeitig schlug.

Nicht zu diesen Bräutigamseichen gehört die so genannte Bräutigamseiche in der Nähe von Eutin, die diesen Namen aufgrund einer Eheschließung unter ihren Ästen bekam. Die Braut und der Bräutigam hatten über ein Astloch in der Eiche Briefe  miteinander ausgetauscht. Heute ist die Bräutigamseiche im Dodauer Forst deutschlandweit bekannt als der einzige Baum mit einer Postadresse.

Noch älter als die Bräutigamseichen, die nicht älter als 300 Jahre sind, sind die so genannten Gerichtseichen oder auch Femeeichen. Denn unter Eichen hielten Kelten, Slawen und Germanen traditionell Gericht und dieser Brauch hielt sich noch lange bis in die Frühe Neuzeit hinein. Da Eichen über 1000 Jahre alt werden können, können wir einige wenige Exemplare dieser Gerichtseichen noch heute bestaunen, so z.B. im Reinhardtswald oder die Femeeiche in  Raesfeld.

Wie die großen Eichen entstanden: Die Hutewälder

Doch es gibt noch einen anderen Grund, warum es viele große und beeindruckende Eichen gibt. Hier kommen die so genannten Hutewälder, die Waldweiden ins Spiel und auch hier müssen wir weit in die Geschichte zurückgehen.

Vor der industriellen Revolution wurden Hausschweine und Rinder zur Mast in die Wälder getrieben. Die Schweine erfreuten sich vor allem an den Eicheln (auch heute noch gelten mit Eicheln gefütterte Schweine als Delikatesse, wie in der  „Zeit“ zu lesen. Dabei fraßen sie nicht nur die Eicheln, sondern auch vor allem Farn und die Triebe junger Bäume und Pflanzen. Durch die guten Wuchs- und Lichtverhältnisse konnten sich die vorhandenen Bäume zu stattlichen Exemplaren mit ausladenden Kronen und knorrigen Stämmen entwickeln.

Auf diese Weise entstand eine lichte, fast offene Parklandschaft mit einigen großen, mächtigen Eichen, den so genannten Hudeeichen.

Road_through_a_Grove_(Jacob_Isaackszoon_van_Ruisdael)_-_Nationalmuseum_-_17619.tif
Jacob van Ruisdael, Road through a Grove (um 1660)

Die Waldweide wie sie hieß nahm mit der industriellen Revolution ein Ende, sie wurde von einer geregelten modernen Forstwirtschaft verdrängt. Heute sind nur noch wenige Hutewälder in Mitteleuropa erhalten, die meisten stehen unter Naturschutz.

Dazu gehören der Ivenacker Park in der Müritz. Ein aktuelles Projekt ist der Hutewald Naturpark Solling-Vogler, den ich sehr gerne mal besuchen würde.

 

Anbei ein Bild der Überreste des Hutewaldes bei Hallow – lasst es einfach mal auf euch wirken – wie fühlt ihr euch beim Betrachten, welche Gefühle kommen da bei euch hoch? (Dieser Hutewald besteht allerdings aus Buchen, dennoch ist die Struktur des Waldes dieselbe).

Hutewald Halloh fotografiert von Simone Roters
Hutewald Halloh fotografiert von Simone Roters
P.S. Für die Nerds unter euch (und ja, ich gehöre da voll dazu):

Es gibt eine These, die so genannte Megaherbivorenthese (über den Einfluss großer Pflanzenfresser auf die Ökologie), dass nach der letzten Eiszeit große Teile Mitteleuropas so aussahen (und eben nicht von dichtem Wald bedeckt wurden), weil Wisente, Auerochsen und Elche und Wildpferde in ihnen in großer Stückzahl weideten. Mit der stärkeren Ausbreitung des Menschen habe sich die Landschaft jedoch verändert, da die großen Pflanzenfresser durch Jagd dezimiert bzw. ausgerottet sein worden. So entstanden die großen Urwälder in Mitteleuropa, die von 9000-5000 v.Chr. unsere Landschaft dominierten. Danach wurden immer mehr Flächen durch den Menschen gerodet und für die Weidewirtschaft genutzt. Bei Ankunft der Römer war dann die halboffene Hutelandschaft entstanden, die sich bis zur industriellen Revolution hielt.

Quellen:

Hansjörg Küster, „Geschichte des Waldes. Von der Urzeit bis zur Gegenwart“. C.H. Beck 1998.

Museumsverein e.V., „Wege durch Reinbeks Geschichte“, Sutton Verlag 2009.

Thomas Pakenham, „Die 60 größten Bäume der Welt“. Christian Verlag.

Regina Sommer,“Das Haarkleid der Erde.“ Biber Verlag 2010.

Ursula Stumpf, „Pflanzengöttinnen und ihre Heilkraft“, Kosmos Verlag 2017.

Bilder:

Das Beitragsbild stammt natürlich von keinem Geringeren als Caspar David Friedrich. Es heißt „Der einsame Baum“ und wird dank einer Wikipedia Commons Lizenz benutzt, wie auch das Bild von Jacob van Ruisdael.

Das Foto des Hudewalds Halloh stammt von Simone Roters von Erdwissen e.V. Noch mehr ihrer tollen Bilder findet ihr auf Instagram und ihrem Blog Trackerowl.

 

 

 

 

 

 

11 Kommentare zu „Über Eichen – was uns die Bäume erzählen“

  1. Hier ganz in der Nähe (Dubrow, Naturpark Dahme-Heideseen) gibt es noch einige der Hute-Eichen. Nun, seit bald einem Jahrhundert ohne Hute, wird ihnen das Licht knapp… Jedes Jahr bin ich mindestens einmal dort. Man fühlt ihre Kraft, besonders wenn sie im Frühling wieder so spritzig austreiben. Lieben Gruß Ghislana (PS: Herzliche Einladung: am Sonntag gibt es bei mir im Blog die nächste Runde „Mein Freund, der Baum“, Baumbeiträge können dann drei Wochen lang verlinkt werden. Deiner würde so wunderbar passen…)

  2. Mit großem Interesse gelesen! Wie oft war das Friedrich – Gemälde Thema in Abiturprüfungen im Fach Kunst. Aber die fotografierte Eiche beeindruckt mich noch mehr…
    LG
    Astrid

  3. Sehr Interessantes hast Du zusammen getragen. Lustig der Baum mit Postadresse. Aber dieser wird gewiss geschützt, geliebt, gehegt und gepflegt.
    Welche Gefühle kommen da in mir hoch? Hmm. Ich würde diese Bäume gerne berühren um ihre Widerstands-Kraft zu spüren. Gerne würde ich mit ihren Augen in ihre Vergangenheit schauen.
    Wenn ich solche wunderschönen mächtigen Prachtexemplare sehe, freue ich mich, staune ich, bin ich voller Ehrfurcht über das, was die Natur schafft.
    LG lykka

    1. Liebe Lykka, vielen Dank für deine schönen Worte. Auch mir geht es ähnlich, wenn ich diese uralten Bäume sehe. Eine große Sehnsucht kommt dann in mir hoch. Vor allem die Hudewälder haben mich nicht losgelassen. Ich wünsche dir weiterhin viele schöne Begegnungen mit Bäumen. Liebe Grüße Kathrin

  4. Pingback: #hambibleibt: Warum ich mich gegen die Abholzung des Hambacher Walds einzusetze • Waldweg. In der Natur zuhause

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.