Klara Marie Schulke

Übers Feuerbohren und extreme Erfahrungen: ein Interview mit der Wildnislehrerin Klara Marie-Schulke

Die dunkle Jahreszeit hat begonnen. Der erste Schnee ist gefallen (und bei uns leider auch schon wieder getaut. Die Kälte macht den Aufenthalt draußen anstrengend, nicht mehr selbstverständlich. Die meisten ziehen sich in ihre vier Wände zurück, machen es sich bei Kerzenschein und Keksen gemütlich. Früher war es nicht so einfach, den Herausforderungen der kalten Jahreszeit zu entkommen.

Für unsere Vorfahren waren feste Mauern, fließend Wasser, Wärme und ausreichend Nahrung zu allen Jahreszeiten nicht immer selbstverständlich. Ohne all das durchs Jahr – und vor allem durch den Winter zu kommen – das können sich die meisten von uns nicht vorstellen.

Eine, die jedoch dieses Wissen und die Fähigkeiten besitzt, ist Klara-Marie Schulke. Sie hat viele verschiedene Plätze auf der Welt besucht, um von diesem Wissen zu lernen. Mehrere Male lebte sie bis zu einem Jahr ununterbrochen in der Wildnis in den USA, Afrika und Südamerika, nahm an dem Immersion Steinzeit Projekt in den USA teil und überquerte die Anden zu Pferde. Sie ist geprüfte Fährtenleserin und Initiatorin und Organisatorin des Bereichs Wildnis- und Naturhandwerk bei der Wildnisschule Wildniswissen in Deutschland. Sie entwickelte die Lehrgänge Wildlederkleidung 1 und 2 sowie den Lehrgang Steinzeit Ausrüstung, die sie bis heute leitet.

Für Absolventen beider Lehrgänge bietet sie das Steinzeitprojekt an, in welchem die Teilnehmer*innen mit ihr zwei Wochen mit selbst hergestellter Ausrüstung und selbst angefertigter Kleidung in der Wildnis Europas unterwegs sind.

Ich habe sie auf dem Herbstfest der Wildnisschule Hoher Fläming erlebt und war beeindruckt von dieser faszinierenden Frau, die sich auf einem Gebiet bewiesen hat, in dem sonst hauptsächlich Männer unterrichten.

Ich freue mich sehr, dass sie sich bereit erklärt hat, Waldweg ein Interview zu geben.

Interview Klara

Wie war dein Weg? Wie bist du dazu gekommen, all diese beeindruckenden Erfahrungen zu machen?

Ich beantworte diese Frage immer gerne mit: „Ich war schon immer so, ich wollte niemals damit aufhören.“ 🙂 Und das stimmt.

Ich bin auf einer Halbinsel direkt am Meer groß geworden. Unser Dorf bestand aus  einer Hand voll Häusern und dahinter lagen mind. 773 ha ziemlich unberührte Natur. Wenn ich draußen in den Wäldern und auf den Wiesen der Halbinsel unterwegs war, alleine oder mit meinem Pferd, meinen Geschwistern oder Freunden, dann war ich erfüllt und glücklich. Ich habe die Natur und meine Verbindung zu ihr geliebt und wollte diese niemals abreißen lassen.

Irgendwann gab es sowas wie Schulpflicht, die ich auch brav absolviert habe. Doch schon im ersten Jahr habe ich mir damals ausgerechnet, wie alt ich sein würde, wenn ich mit dieser „Pflicht“ fertig wäre. Und dann, – so war mir völlig klar, in meinem kindlichen Denken -, würde ich wieder in der Natur unterwegs sein, auf Bäume klettern, Pferde reiten und die Welt entdecken und erleben.

Ich glaube, ich war und bin ein ziemlich starker Abenteurer-Geist! 🙂

Als ich mein Abitur gemacht hatte, merkte ich, dass die Menschen um mich herum ganz andere Pläne und Erwartungen an mich hatten als das, wovon ich glaubte, wofür ich eigentlich auf dieser Welt war… Ich habe dann ziemlich schnell gemerkt, dass ich dieses Leben nicht für sie lebe, sondern dass es dafür da ist, mein eigenes Geschenk in die Welt zu bringen und mich selbst zu verwirklichen.

Das, worüber ich lernen wollte, wurde jedoch nicht an einer Universität angeboten. Wildnisschulen gab es zu dem Zeitpunkt  noch nicht oder waren so weit im Norden noch gar nicht bekannt und auch ihre vielfältigen Programme, wie sie heute existieren, gab es damals nicht. Genauso wie es den Beruf so nicht gab, den ich heute ausübe.

Deswegen habe ich mit 19 Jahren angefangen, um die Welt zu reisen, immer auf der Suche nach dieser gewissen Naturverbindung, die ich während meiner Kindheit ja erlebt hatte.

Als Kind habe ich diese Naturverbindung unbewusst gelebt, als Erwachsene dann bewusst, indem ich mich immer wieder dafür entschied.

So war ich über insgesamt 15 Jahre lang immer wieder in den USA, Afrika, Südamerika und anderen Ländern unterwegs. Diese Zeit war geprägt von großer Freiheit, Angst, Unsicherheit, Liebe, Hoffnung Mut, Selbstzweifel, Hinterfragen und einer unglaublichen Leidenschaft, immer wieder weiterzugehen. Ich bin Menschen auf meinem Weg begegnet, die mich auf unterschiedlichste Weise unterstützt haben und es gut fanden was ich mache. Ob das ab  einem bestimmten Zeitpunkt meine Familie war, oder Menschen, denen ich im Laufe meines Lebens begegnet bin, Mentoren und Freunde. An sie alle möchte ich hier meinen Dank aussprechen. Ohne sie wäre ich vielleicht nicht an diesem Punkt, wo ich heute bin.

Seit 2006 arbeite ich nun in Deutschland im wildnispädagogischen Bereich und bereichere seit einigen Jahren nun das Angebot der Wildnisszene mit meinen Programmen. Das ist schön.

Du hast in verschiedenen Projekten Naturerfahrung gesammelt, wie gehst du mir herausfordernden und schwierigen Situationen wie z. B. extremer Kälte um?

Es gab viele tiefgreifende Erfahrungen während meinen Zeiten draußen: Ob herausfordernde oder wunderschöne. Die eisige Kälte von minus 40 Grad C., bei der man ein Feuer bohren muss und es schafft! Oder die Waldbrände in den USA, die außer Kontrolle waren.

Die gnadenlose Konfrontation mit sich selbst, seinen eigenen Schwächen und dunklen Seiten, genauso wie die starken Momente.  Die Schönheit in allen Dingen.

Extreme gab es immer.

In meinen Lehrgängen erzähle ich manchmal davon oder lese aus meinen Tagebüchern vor. Ich denke es hilft den Leuten oftmals, einen besseren Eindruck zu bekommen auf was sie sich vorbereiten, bzw. was es heißt mit der Natur unterwegs zu sein, vor allem wenn man weit gehen möchte.

Wie schaffst du den Spagat zwischen moderner Welt und Steinzeitimmersion? Gibt es Rituale, die dir dabei helfen? 

Für mich ist das nicht wirklich ein Spagat. Ich bin gerne in beiden Welten unterwegs und fühle mich auch in beiden Welten weitestgehend zuhause. Ich habe keinen Groll gegenüber der einen oder der anderen Welt und auch keine  Bevorzugung oder richtige  Bewertung. Die Erfahrungen und Geschenke aus beiden Welten können sich gegenseitig sehr bereichern und ich spüre das auch an/in mir und sehe es an meinen Schülern.

Ich selbst bin als Fünflingskind geboren und das drei Monate zu früh. Ohne die Technik der modernen Welt wäre das damals – 1982 – nicht möglich gewesen. In meiner Kindheit war ich immer viel in der Natur, habe die Stürme, das Meer mit seinen Gezeiten und den ständigen Wandel der Jahreszeiten hautnah erlebt. Gleichzeitig bin ich in einem großen ehemaligen Bauernhaus mit seinen Stuben und einfacher moderner Technik groß geworden und komme aus einer gebildeten Familie. Ich war schon immer in beiden Welten zuhause und hatte das Gefühl dass diese beiden Welten auch nebeneinander sein dürfen – und miteinander.

Das ist auch das was meine Kurse ausmacht und was ich vermitteln möchte. Dass es einen Frieden zwischen beiden Welten geben kann, auch in uns Menschen. Das ist mir persönlich das Wichtigste. Beides darf wieder neben einander und miteinander sein, sich verweben und zu einem großen Ganzen verschmelzen.

Ich habe mich immer mehr als „Türhüterin“ zu beiden Welten gesehen und begleite die Menschen gerne in die eine oder andere Welt hinein – die „Wildnis“ oder Natur und die Moderne – um ihre Erfahrungen mit Naturverbindung zu machen, sich selber und andere kennenzulernen und begleite sie auf diesem Weg.

Eine Verbindung zu beiden Welten in den Menschen entstehen zu lassen und diese nicht nur sein lassen zu dürfen, sondern darüber hinaus, sie zu einer Bereicherung werden zu lassen, das ist das, was ich der Welt und den Menschen mitgeben möchte.

Wenn wir draußen in der Natur unterwegs sind und uns mit dem, was sie ist, beschäftigen, dann knüpfen und stärken wir ein Band zu ihr – der Natur, zu uns selbst und zu unseren Mitmenschen. Das ist so und es ist gut.6) crafts, Kurse

Die dunklen Monate sind für viele mit Herausforderungen verbunden. Was verbindest du mit der dunklen Jahreszeit? Welche Erfahrungen/Rituale sind in dieser Zeit für dich wichtig? Wie nimmst du die Natur wahr?

Mit der dunklen Jahreszeit verbinde ich definitiv ein mehr zur Ruhe kommen, Innehalten und Innenschau. Wenn wir draußen leben würden, ohne Strom und Heizung, dann würde das ganz von selbst passieren. Aber auch in der modernen Welt können wir davon was wahr nehmen, denn der Rhythmus der Jahreszeiten und der Sonnenverlauf ist nach wie vor sehr kraftvoll.

Für mich ist es in dieser Zeit wichtig, die Abende öfter für mich zu nehmen, zu reflektieren und zu sein. Den Sternenhimmel in den Nächten zu betrachten und die kurzen Tage mehr wert zu schätzen. Etwas länger zu schlafen als im Sommer (Ich bin absolute Frühaufsteherin! 😀 ) .. und meinen nächtlichen Träumen mehr Aufmerksamkeit zu geben.

Auch die Natur wird ruhiger, zieht sich zurück, erstarrt bei einem kalten Winter mit Schnee und Eis beinahe vollständig. Aber eben nur fast. Und unter der Oberfläche passiert ganz viel. Ich denke, so ist es auch bei mir, uns.

Zum Abschluss eine Frage, von einer, die sich mit dem Feuerbohren schwertut. Welche Tipps kannst du geben? Was macht Frau, wenn es einfach nicht klappen will und Frau das Gefühl hat, einfach nicht genügend Muskeln zu haben?

Es gibt viele Tipps zum Feuer bohren. Es kann an der Optimierung des Materials liegen. Aber auch je nachdem welcher Mensch vor mir sitzt und an welchem Punkt er sich in seinem Leben und mit dieser Fertigkeit gerade befindet –  können unterschiedliche Hilfestellungen auf ihn zutreffen und ihn voran bringen oder eben nicht. Das Feuer bohren hat nicht nur was mit Muskelkraft zu tun, sondern auch mit Fertigkeit. Die besten Feuermacher, die ich getroffen habe, sind tatsächlich Frauen gewesen. Vieles machte ihre Einstellung oder eben ihre Fertigkeit aus.

Ein Tipp, den mir einer meiner Mentoren einmal gab, war, „Wenn es nicht klappt eine Glut hinzubekommen, solltest du vielleicht deine Beziehung zum Feuergeist stärken.“ Ich habe gemerkt wie viel Wahrheit in so einer kleinen Aussage stecken kann.

Liebe Klara, vielen Dank für deine Antworten. Für die Leser*innen, die neugierig geworden sind: Wo teilst du dein Wissen? Wo kann man dich kennen lernen? Und wie geht dein Weg weiter?

Ich möchte den Wildnis- und Naturhandwerkbereich weiterhin gut aufbauen und festigen, mit all seinen Geschenken und seiner Bereicherung, die er für die Wildnisszene ist. Jemand hat mal zu mir gesagt, als er alle meine hergestellten Sachen sah: Er habe die „2. Generation der Wildnisschulen“ gesehen…

Ich fand das ein sehr schönes Kompliment, aber ich denke auch, darin steckt vielleicht viel Wahrheit. Darüber hinaus arbeite ich an weiteren Programmen. Ihr könnt euch also freuen. 🙂

Ihr findet mich und meine Programme über meine Webseite: www.klara-schulke.de

oder auf: www.wildniswissen.de

oder auch auf Facebook.

Einen schönen kurzen Film über Klara findet ihr hier.

Das Titelfoto auf dieser Seite stammt von Marius Jünemann.

1 Kommentar zu „Übers Feuerbohren und extreme Erfahrungen: ein Interview mit der Wildnislehrerin Klara Marie-Schulke“

  1. So ein schönes Interview!
    „Unter der Oberfläche passiert ganz viel.“
    Ich finde das handwerkliche Wissen, das Klara weitergibt, faszinierend und würde gerne mehr darin eintauchen 😉
    Herzliche Grüße zu dir (und Klara)!
    Hab eine gute „Hibernation“ – dafür fehlt irgendwie ein deutsches Wort, Überwinterung bedeutet so ganz was anderes, da liegt mehr das Überwinden der kalten Jahreszeit drin anstatt des Genießens, das über den Winter Kommen statt des im Winter Seins …
    In diesem Sinne bis bald!
    Dania

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